Hannover, 24. 11.2022

Dieses Interview mit Butze-Leiterin Hanna Ates führte Martina Tangara, Journalistin, für den Newsletter von „Mehr Aktion! für Kinder und Jugend“. Wir danken für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.

Der Kindertreffpunkt butze 22 ist eine offene Einrichtung für Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren, zu dem ca. 80 Kinder überwiegend aus dem Wohngebiet „Am Spargelacker“ in Bemerode kommen. Hanna Ates, Leiterin des Kindertreffpunkts, im Gespräch mit Mehr Aktion! anlässlich des 18. Geburtstags der Butze 22 – eine gute Gelegenheit zurückzublicken und einen Ausblick zu wagen.

Wie hat sich die Butze 22 entwickelt, nachdem sie vor 18 Jahren ins Leben gerufen wurde?
Wer waren die Geburtshelfer?

In Bemerode gab es bereits das Zentrum für Jugendliche ab 14 Jahren in der Trägerschaft der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde am Döhrener Turm (EFG). Im Quartier „Am Spargelacker“ mit Belegwohnungen der Stadt Hannover und einer erhöhten Kriminalitätsrate, erkannte man im Jahr 2003 den gesteigerten Betreuungs- und Förderbedarf für Kinder unter 14 Jahren. Deshalb schrieb die Stadt ein sogenanntes „Lückekinderprojekt“ aus und stellte von Anbeginn dafür die jährlichen Finanzmittel zur Verfügung. Die Gemeinde hat vermutlich deshalb den Zuschlag bekommen, weil das Jugendzentrum und das neue Projekt über die gleiche Trägerschaft gut miteinander verknüpft werden konnte.

Als ich im Mai 2008 anfing, starteten wir mit zwei Öffnungstagen, mit mir als hauptamtlicher Kraft sowie einer ABM-Kraft. Baulich musste nicht viel verändert werden, denn Küche, Toiletten, Besprechungszimmer, Lager – das war alles schon da. Im Sommer folgten räumliche und konzeptionelle Änderungen. Ein Jahr später gab es schon eine Lernwerkstatt neues Mobiliar etc. Um die Erweiterung der inhaltlichen Arbeit zu ermöglichen, warb ich von Beginn an um Ehrenamtliche und Spenden. Eines Tages besuchten uns Alexa v. Wrangell und Carmen Sievers von Mehr Aktion! und waren überrascht, wie die Butze 22 inzwischen aufgestellt war. Sie entschlossen sich, ihre Förderung deutlich zu erhöhen, was einen entscheidenden Schub verursachte, der in Kooperation mit der Bürgerstiftung Hannover einen weiteren Öffnungstag ermöglichte.

Damals stieß ich übrigens in den Unterlagen auf den Slogan „Ich bin wertvoll, Du auch“, der in den Anfängen entwickelt worden war und fand ihn so genial, dass ich ihn zum Motto erhob mit der entsprechenden Außen- und Innenwirkung – als Grundlage unserer Arbeit.

Wie waren die „Kinderjahre“ und die „Teenagerzeit“?
Welche Entwicklungen, welche Unterstützung, welche Erschütterungen gab es?

2015 erhöhte die Stadt ihre Förderung unter der Voraussetzung der räumlichen und zeitlichen Erweiterung erheblich, sodass seither vier Öffnungstage möglich sind und eine Nebenstelle mit einem Lese- und einem Musikraum dazu kam. Projekte am Freitag oder Samstag lassen sich durch das hohe ehrenamtliche Engagement des Teams realisieren.

Corona war sicher eine solche Erschütterung. Eine besondere Herausforderung war, die Nähe zu den Kindern zu halten trotz der räumlichen Distanz. Aber schließlich hat all dies sogar zur Stärkung des Teams geführt, das inzwischen ein internationales und interkulturelles Team mit ca. 50 Personen ist und somit auch der Lebenswirklichkeit der Kinder entspricht.

Welche Rolle spielt die Butze 22 in ihrem Umfeld, dem Quartier „Am Spargelacker“ in Bemerode? Warum wird sie dort so dringend gebraucht?

Die Butze 22 ist eine wichtige Anlaufstelle für die Menschen dort, die mindestens zu 90 Prozent Migrations- und Fluchterfahrung haben. Sie trägt entscheidend zum friedlichen Miteinander im ganzen Wohnquartier bei. Man muss sich vorstellen, dass hier Menschen Tür an Tür leben, deren Herkunftsländer vielleicht miteinander im Krieg sind und die natürlich extreme Vorbehalte haben. Hier gilt es zu vermitteln, dass die Nachbarn genauso bedürftige Menschen sind wie man selbst. Dass es gut ist, den anderen wie sich selbst als Menschen anzunehmen und auch mit dem Motto zu sehen: „Ich bin wertvoll, Du auch“.

Was hat in all den Jahren am meisten Arbeit gemacht, was die meiste Freude?

Ich sehe die Butze 22 wie ein Mobilé. 2008 habe ich sie als kleine Butze übernommen, dann hat es immer wieder neue Verknüpfungen gegeben, Neues hat sich dazugefügt mit vielen Facetten, die es gilt im Gleichgewicht zu halten. Dazu gehören Themenbereiche wie Personal, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit und am Wichtigsten ist die pädagogische Arbeit, dass sich die Kinder wirklich wohlfühlen, aufgefangen sind.

Das bedeutet immer aufmerksam zu sein, Bedarfe zu erkennen und Wege der Realisierung zu finden. Ganz konkret: Wenn ein Kind eine schulische Unterstützung braucht, den oder die passende Mitarbeiter:in zu finden, denn beide müssen auch miteinander harmonieren. Dabei geht es auch um die Selbstwirksamkeit der Kinder, sie an den Prozessen zu beteiligen und nicht zu verwalten.

Um die Belange abzustimmen, treffen wir uns täglich in Teambesprechungen. Einmal in der Woche haben wir die Young-Team-Besprechung – Young-Teamer sind junge Mitarbeitende zwischen 14–20 Jahren, die meist selbst „Butzekinder“ waren – und einmal im Monat gibt es die Kinderkonferenz. Da tauschen wir uns aus, beraten miteinander und beschließen wie es weiter gehen soll.

Alle Aufgaben machen mir Freude, auch die kleinen Details des täglichen, bunten Miteinanders, den so vielen positiven Entwicklungen. Das gibt mir Kraft für das immer sich in Bewegung befindliche Mobilé, die Butze 22, mit ihren reichen Facetten.

Kein Mensch ist mit 18 mit seiner Entwicklung am Ende. Wie sieht es bei der Butze 22 aus?
Welche Pläne, Ideen, Wünsche, Ziele gibt es für die weitere Entwicklung?

Dadurch, dass die Butze 22 so gewachsen ist, ist es kaum noch möglich, dass ich sie allein als Hauptamtliche leite. Deshalb wäre eine weitere pädagogische Kraft wünschenswert. Wenn man weiter wünschen möchte, kann ich mir auch gut eine weitere räumliche Erweiterung vorstellen: Ein Büro in einer Wohnung vor Ort wäre großartig, in den Räumlichkeiten könnten auch Angebote für Familien mit kleinen Kindern, unter 6 Jahren, gemacht werden.

In Arbeit ist die Erstellung einer eigenständigen neuen Webseite www.butze22.de. Dort werden im Rahmen eines Interviewprojekts „18 Jahre Butze“ Menschen zu hören sein, die sich zu der Butze äußern – das ist sehr lebendig und spiegelt die bunte Vielfalt der Butze 22 wider.

Das Allerwichtigste ist, dass sich die Kinder in der Butze 22 weiterhin entfalten können, dass sie bei uns ganz Kind sein dürfen, dass sie laut sein dürfen, dass sie sich ausprobieren können, dass sie auch scheitern dürfen, dass sie so angenommen sind, wie sie sind, egal wie gut oder schlecht gelaunt sie von der Schule kommen, dass sie einfach einen Ort haben, an dem sie sein können, wie sie sind und auf dieser Basis beachtet, gefordert und gefördert werden.

Wie könnte man die Butze 22 in drei Wörtern beschreiben?

Weil unser Motto so tiefgründig ist und wir eben im Gespräch festgestellt haben, dass es in das ganze Wohngebiet hineinreicht, in die Verbindung der Menschen untereinander, würde ich jetzt gar nichts anderes sagen als: „Ich bin wertvoll, Du auch.“